Erfahrungsbericht Fernabitur
Zuallererst: Das Abitur per Fernstudium nachzuholen, ist nicht unbedingt der einfachste aller Wege – vorsichtig ausgedrückt. Als ich mich vor fünf Jahren für das Fernabitur und gegen das Abendgymnasium entschieden habe, so vor allem deshalb, weil ich flexibel bleiben musste. Während Schüler eines Abendgymnasiums allabendlich in ihren Klassenräumen präsent sein und feste Zeiten einhalten müssen, kann ein Fernschüler sich seine Lernzeiten vollkommen frei einteilen. Da ich zu diesem Zeitpunkt im Schichtdienst tätig war, blieb mir auch gar keine andere Entscheidungsmöglichkeit – die Arbeitszeiten in einem Krankenhaus richten sich nun mal nicht nach den Unterrichtszeiten einer Abendschule.
Die Wahl des passenden Anbieters
Die Entscheidung fürs Fernabitur war schnell gefallen, schließlich brauchte ich für mein Wunschstudium (Medizin) zwingend das Abitur. Das allerdings gilt nicht für jedes Studium, denn zahlreiche Fächer setzen lediglich den Abschluss einer mindestens dreijährigen Berufsausbildung sowie eine dreijährige Tätigkeit in diesem als Zugang für die Universität oder Fachhochschule voraus. In diesem Fall absolviert der Interessent die so genannte Hochschulzugangsprüfung und kann dann ganz regulär studieren.
Für meine Pläne allerdings genügte dieser Zugang nicht, ich brauchte das Abitur und zwar möglichst mit hervorragenden Noten. In Deutschland ermöglichen verschiedene Anbieter das Fernabitur, darunter natürlich vor allem die großen Fernschulen ILS, SGD, AKAD, HAF sowie die Fernakademie Klett. Ich persönlich habe mich übrigens für die ILS entschieden, wobei die räumliche Nähe meiner Heimatstadt zu Hamburg – dem Sitz der Fernschule – der ausschlaggebende Grund war.
Freiheit kann auch viele Nachteile haben
Eigentlich sollte die räumliche Nähe ziemlich irrelevant sein, schließlich sitzt man beim Fernabitur zu Hause und lernt allein und vollkommen auf sich gestellt. Die ILS bietet allerdings in Hamburg Präsenzseminare zur Vorbereitung auf die Probeklausuren (die man bestehen muss, um überhaupt zu den eigentlichen Prüfungen zugelassen zu werden) sowie zu den Abiturprüfungen an. Diese Seminare sind zwar nicht verpflichtend, aber ich würde einen Besuch unbedingt empfehlen!
Leibhaftige Lehrer bereiten darin noch einmal ganz gezielt auf die Prüfungen vor, auch kann man noch offene Fragen loswerden und sich mit seinen Mitschülern austauschen. Diese Kontakte waren nach fast drei Jahren des Einzelkämpferdaseins eine ganz neue Erfahrung für mich und haben mir gezeigt, wie schwer das Fernabitur tatsächlich zu erreichen ist. Die Freiheit des selbstbestimmten Lernens ist nämlich nicht nur positiv, sondern hat auch seine Schattenseiten. War ich im ersten Jahr noch sehr motiviert und habe mich streng an meinen im Vorfeld aufgestellten Zeitplan gehalten, so hatte ich in den letzten beiden Jahren so manches Motivationstief zu überwinden.
Fernabitur eignet sich nur für disziplinierte Einzelkämpfer
Wer sein Abitur über ein Fernstudium nachholt, muss sich nämlich bewusst sein, dass
– der gesamte Abiturstoff in Eigenregie durchgearbeitet und verstanden werden muss.
– man sich immer wieder selbst motivieren muss.
– zu festen Zeiten lernen sollte – ohne einen guten Plan klappt es nicht.
– niemand da ist, der einen antreibt und zum Lernen zwingt.
– man sehr viel Zeit alleine hinter seinem Schreibtisch verbringt.
– Freizeit für diese Lebensphase ein Fremdwort bleiben wird.
Anders ausgedrückt, wer sein Abitur über eine Fernschule nachholen möchte, muss sehr diszipliniert sein und darf sein Ziel nicht aus den Augen verlieren. Glücklicherweise habe ich erst nach den bestandenen Prüfungen erfahren, dass ein Großteil der Fernabiturienten unterwegs aufgibt.
Ist das Fernabitur wirklich so schwer wie viele behaupten?
Rein vom Stoff her betrachtet ist das Fernabitur auch nicht schwerer oder leichter als das regulär erworbene Abitur, lediglich der gewählte Weg ist anstrengender. Anstatt als Schülerin einer normalen Schule die Prüfungen abzulegen, absolviert der Fernschüler die so genannte Externen- bzw. Nichtschülerprüfung. Das bedeutet, man kennt die Prüfungskommission im Vorfeld nicht und diese einen selbst natürlich auch nicht. Die Durchfallquoten sind entsprechend – allerdings nicht nur aus diesem Grund. Wer es jedoch geschafft hat, darf mit Recht sehr stolz auf sich sein!
Übrigens: Im letzten halben Jahr vor den Prüfungen habe ich nicht mehr gearbeitet, sondern stattdessen Schülerbafög bezogen. Diese Möglichkeit steht auch Fernschülern offen und erleichtert die Vorbereitung auf die Prüfungen enorm.